Die deutsche Krone geht an das Team aus Großhadern
Am Samstag, den 10. Oktober war es soweit: die Bundesligamannschaft rund um Gerhard Dempf reiste nach Esslingen, um es wahr werden zu lassen „Wir wollen den Pott“, so der Coach „es wird Zeit, das Banner in unserem Dojo neu zu bestücken.“
Was zu Beginn des Tages noch mit größter Nervosität erhofft wurde, war am frühen Abend Realität: Der nun insgesamt 11. Deutsche Titel geht nach Großhadern; seit 2001 musste darauf gehofft werden. Abensberg, dessen Mannschaft seitdem stets unschlagbar war und dieses Jahr keine Mannschaft an den Start schickte, wurde abgelöst.
Das Ganze mit einem überragenden und souveränen Ergebnis von 10:3 gegen das Hamburger Team im Halbfinale und einem grandiosen 10:3 im Finale gegen den Gastgeber KSV Esslingen.
Auch der Veranstalter KSV Esslingen erwies sich als gut vorbereiteter und höchst angenehmer Organisator des Großevents. Judo auf Weltklasseniveau wurde den Zuschauern geboten, neben nationalen Größen wie Karl- Richard Frey, dem Vizeweltmeister, gab es unzählige Nationalkaderathleten. Die internationale Verstärkung aller Teams war ebenso versammelt. Seit Jahren war es nicht so spannend und ungewiss, wer nun am Ende ganz oben stehen würde.
Auch wenn das Münchner Team „nur „ als zweiter der Gruppe Süd angereist war, wusste die Mannschaft, dass der Titel nicht unerreichbar war. Auch die anderen Mannschaften hatten sich Chancen ausgerechnet.
„Zu keinem Zeitpunkt der Vorrunden waren wir überheblich, waren voller Respekt vor den anderen Mannschaften, ohne die Hosen voll zu haben,“ so Ralf Matusche.
„Durch die vielfältigen Verpflichtungen, Verletzungen oder Krankheit haben wir uns zum Teil mit nur 10 Mann durch die Vorrunden gebissen.“
So hatte in der ganzen Qualirunde jedes Mannschaftsmitglied einen Teil zu diesem Erfolg beigetragen, auch wenn heute nur die „Knaller“ zum Einsatz kommen sollten.
„Unser Unterbau ist enorm stark und konkurrenzfähig, das ist toll,“ freut sich Gerhard Dempf.
Einen Wermoutstropfen gab es dennoch: Einer der Leistungsträger des TSV konnte diesen erfolgreichen Tag nicht live miterleben: Tobias Englmaier, Olympiakandidat im Leichtgewicht, hatte sich bei seinem letzten internationalen Einsatz verletzt und konnte somit nicht aktiv mit dabei sein. Ihm auf diesem Wege, als einem der Säulen des Teams, gute Besserung!
Für die Männer lief es schon im Halbfinale gegen den Nordsieger JT Hamburg mehr als rund: zunächst gab es jedoch ein hin- und her. Christoph Köberlin musste im Leichtgewicht den Punkt an Hamburg abgeben und Roy Meyer erkämpfte ein Unentschieden im Schwergewicht. Danach punktete Alexander Wiezcerzak gegen Dominic Ressel in der 81kg Kategorie, die 90er Klasse ging wiederum mit Ippon an Hamburg. Ein 2:1 für die Norddeutschen sah nach einem offenen Schlagabtausch aus.
Doch was zu Beginn so gut verteilt aussah, entwickelte sich durch Siege von Igor Wandtke, Kalle Frey ( 100kg)und den Briten Colin Oates (-66kg) zu einem 4.2 für die Münchner zum Pausenstand.
Wie immer galt es die Aufstellungsveränderungen der gegnerischen Mannschaft zu antizipieren. Ein 4:2 war noch kein Sieg.
Der 21- Nationalkaderathlet Max Heyder brachte nach einem tollen Kampf im Leichtgewicht das Großhaderner Team im zweiten Durchgang den 5. Habenpunkt gegen den erfahrenen Andersen Immerschied vom Hamburger JT.
Das Schwergewicht in Hamburg war bestens besetzt, das hatte der erste Durchgang gezeigt, so war die Niederlage des ins & Limit hochgestellten Aaron Hildebrand mehr als die logische Konsequenz, Alexander Wiezcerzak schloss im 81kg Limit auf und der für Großhadern startende Serbe Aleksamdar Kukolj machte einen souveränen Punkt in der Gewichtsklasse -90kg. Dies bedeutete bereits der Sieg!
Die Mannschaft jubelte, konzentriert gekämpft wurde dennoch bis zum Schluss.
Julian Kolein steuerte nun noch den 8. Punkt, Karl Richard Frey den 9. und Colin Oates Punkt Numero 10 bei!
Was für ein Spektakel!
Sich 10:3 (30:90) gegen eine gut aufgestellte Hamburger Mannschaft, so eindeutig durchzusetzen hatten sich die Athleten des TSV Großhadern nicht einmal im Traum vorgestellt.
Aber die erste Hürde war bravourös gemeistert!
„Wir sind gut drauf“, so Alexander Wiezcerzak, „ aber wir wollen noch mehr…“
Im zweiten Halbfinale hatte sich erwartungsgemäß der Gastgeber KSV Esslingen gegen Ettlingen durchgesetzt.
Die heimischen Fans waren enthusiastisch: nach dem 5. Vizemeistertitel in Folge wollten sie als Sieger die Halle verlassen. Sie vertrauten auf die erfolgreiche Stammmannschaft und die hochkarätige ausländische Verstärkung.
Das Leichtgewicht ging zuerst auf die Matte: Christoph Köberlin hatte einen starken Gegner: Franciso Garrigos startete offensiv und brachte dem Esslinger Team den ersten Punkt auf der Habenseite; von Leicht ging es zu Schwer: auch hier hatte der KSV eine nationale Größe in seinen Reihen: Sven Heinle. Roy Meyer vertrat den TSV Großhadern. Geprägt von intensivem Griffkampf konnte Heinle bis zum Ende einen kleinen Vorteil für sich verwalten. Plötzlich explodierte der für Großhadern startende Holländer und brachte mit einer tollen und rasanten Technik den ersten Punkt für sein Team!
Ein intensives Duell folgte nun im 81kg Limit; Niklas Ebert wollte den Sieg für seine Mannschaft ebenso wie Alexander Wiezcerzak. Beide waren sich schon häufiger begegnet; es wurde gelauert auf die ideale Situation für einen siegbringenden Ansatz. Die Athleten trennten sich nach einem kraftraubenden Kampf letztendlich mit Unentschieden. Alles war noch möglich.
Aaron Hildebrand bezwang danach Peter Abel im 90kg Limit mit vollem Punkt und auch Igor Wandtke konnte mit einem Sieg gegen René Schneider wiederholt erhöhen.
Nun kam es zu dem wohl spannendsten und spektakulärsten Kampf des Tages: Karl- Richard Frey traf auf Varlam Liparteliami.
Auf beiden ruhten große Erwartungen. Eine Begegnung, die von Konzentriertheit beider Athleten, toller Athletik und gefährlichen Techniken geprägt war. Gefährlich blieb es bis zur letzten Sekunde, in der der für Esslingen startende Lipartiliami regelrecht explodierte und seinem Team eine spektakulären Ippon bescherte.
Spannend war auch die letzte Begegnung des ersten Durchgangs: Colin Oates, der bereist im Halbfinale durch zwingende Bodentechniken überzeugt hatte, stand im 66kg Limit vor keinem geringeren als Boris Trupka.
Beide Kämpfer sind in dieser Gewichtsklasse schon lange beheimatet und präsentieren sich mit einem ähnlich wendigen Kampfstil. Colin Oates behielt die Oberhand und „zauberte“ wiederholt am Boden.
So ging es in die Pause; Hendrik Schumacher, der als ehemaliger erfolgreicher Bundesligakämpfer am Rand angespannt das Team anfeuerte, war zuversichtlich: „Ich denke, das klappt,“
Er und Coach Gerhard Dempf waren jahrelang in einem ähnlich homogenem Team unterwegs, mit von der Partie waren heute am Mattenrand auch noch weitere „Ehemalige“, die an die Athleten glaubten. Eine gelungene Mischung ehemals aktiver Judoka und aktueller Fans war in größter Anspannung.
So ging es in Runde zwei: Während Francisco Garrigos im Leichtgewicht auf Esslinger Seite wieder unbezwingbar war, konnte Karl- Richard Frey in einem herausragendem Kampf den Schwergewichtler Levani Makashvili mit einem ebenso mutigen als auch donnernden Ippon zu Fall bringen, die Großhaderner tobten!
Bis 81kg gab es eine Wiederauflage des Hinkampfes. Niklas Ebert für Esslingen, Alexander Wiezcerzak für Grosshadern. Diesmal dominierte der Münchner, mit einer schnellen und technisch brillianten Sicheltechnik überraschte er den Esslinger. Wiederholter Jubel in Großhadern und ein strahlender Alexander Wiezcerzak übergab an seinen Namenskollegen Aleksandar Kukolj. Kampflos ging auch diese Begegnung an das Großhaderner Team, da Sandro Makkatsaria auf Esslinger Seite wegen anstehender U21 WM geschont werden sollte.
Julian Kolein machte in der Gewichtsklasse bis 73kg eine gute Figur; er bezwang nach einem hervorragenden Kampf den renommierten René Schneider. Und auch die 100kg Kategorie ging an das Münchner Team mit einem hervorragend kämpfenden Aaron Hildebrand.
Colin Oates machte seinen vierten Punkt überzeugend im 66kg Limit gegen den inzwischen ein wenig müde wirkenden Boris Trupka.
10:3 hieß das Ergebnis auf der Anzeigentafel, überlegener geht es wohl kaum.
Laut wurde es auf der Großhaderner Seite; es wurde getanzt und gejubelt. Und natürlich gefeiert.
Das Team war nicht nur zusammengewachsen, jeder konnte jedem im Team Tribut für seinen mannschaftsdienlichen Einsatz zollen. So feierten die ehemaligen Mannschaftsmitglieder mit den frischgebackenen Deutschen Meistern.
„Der Titel war fällig“, so Hendrik Schumacher freudestrahlend, „ich habe an die Jungs geglaubt.“ Deshalb hatte er rein zufällig schon für jeden ein Mannschaftssport unseres Sponsors DAX mit im Gepäck. Das neue Banner für das Dojo ist schon in Auftrag gegeben.
Und was sagt der Coach kurz und knapp „Hammer, läuft…“
So hat Deutschland einen neuen Deutschen Meister im Judosport, Vizemeister bleibt wie in den Jahren zuvor der KSV Esslingen.
Wie es weitergeht? Für die meisten hartes Training im Olympiazyklus, für viele den Moment genießen und erst mal durchatmen!